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BGH-Entscheidung zum „außergewöhnlichen Umstand“

Regelmäßig Gegenstand von Gerichtsentscheidungen ist die Frage, wann ein „außergewöhnlicher Umstand“ im Sinne des § 651h BGB vorliegt, der den Reiseveranstalter zum Ersatz des gesamten Reisepreises verpflichtet, wenn der Reisende den Reisevertrag kündigt. Der BGH hat jetzt zu der Frage Stellung genommen, ob eine Erstattungspflicht des Reiseveranstalters auch dann vorliegt, wenn dem Reisenden die „außergewöhnlichen Umstände“ schon zum Zeitpunkt der Buchung bekannt waren.

Der Bundesgerichtshof ist der Ansicht, dass es einem Reisenden, der eine Reise bucht, obwohl Umstände vorliegen oder absehbar sind, die so gravierend sind, dass nicht jeder Reisende die damit verbundenen Risiken auf sich nehmen möchte, in der Regel zumutbar ist, die Reise anzutreten, wenn die im Zeitpunkt der Buchung bestehenden oder absehbaren Risiken zum Zeitpunkt des Reisebeginns fortbestehen. Demnach ist es auch möglich, dass der Reisende von den Umständen Kenntnis hatte, aber gleichwohl einen Erstattungsanspruch hat.

BGH, Urteil vom 19.9.2023, Az. X ZR 103/22

Ersatzbeförderung zu einem späteren Zeitpunkt

Die Verpflichtung des Flugunternehmens gem. Art. 8 c und Art. 5 a der Fluggastrechteverordnung (VO 261/04), nämlich den Fluggast bei annulliertem Flug zu einem anderen Zeitpunkt zum gewünschten Ziel – aufpreisfrei – zu befördern, setzt nicht voraus, dass die gewünschte Ersatzbeförderung in zeitlichem Zusammenhang mit dem ursprünglich vorgesehenen Flug steht. Im entschieden Fall wünscht der Fluggast einen Ersatzflug mehrere Monate später.

BGH, Urteil vom 27.6.2023, Az: X ZR 50/22

Außergewöhnliche Umstände – Tod des Co-Piloten

Der Anspruch des Fluggastes auf Zahlung einer Verspätungspauschale entfällt regelmäßig, wenn Vorkommnisse oder Umstände vorliegen, die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind. Die ständige Rechtssprechung des EuGH geht dabei davon aus, dass jeder Fall einzeln zu beurteilen ist.

Der EuGH hatte nun einen Fall zu entscheiden, in welchem die Flugverspätung dadurch verursacht wurde, dass der Co-Pilot des Flugzeugs verstorben war. Der Gerichtshof weist darauf hin, dass die ausführenden Luftfahrtunternehmen typischer Weise bei der Ausübung ihrer Tätigkeit mit der unerwarteten Abwesenheit eines für die Durchführung edes Fluges unverzichtbarem Bsatzungsmitglied aufgrund von Krankheit, Unfall oder Tod konfrontiert sind und sich darauf auch unmittelbar vor dem Flug einstellen müssen. Der Umgang mit einer solchen Situation sei planbar und daher – trotz der Tragik einer solchen Situation – zur Zahlung der Pauschale gleichwohl verpflichtet.

EuGH ECLI:EU:C:2023:393

außergewöhnlicher Umstand – betrunkener Fluggast

Die pauschalisierte Entschädigungsleistung, die von Flugunternehmen gezahlt werden muss, wenn sich die Ankunft des Fluges in bestimmtem Maße verspätet, ist bekannt. Das Gesetz sieht zugunsten der Fluggesellschaften eine Ausnahme von der Zahlungspflicht vor, wenn nämlich die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände beruht. Gemeint sind Gegebenheiten, auf welche die Fluggesellschaft keinen Einfluss und somit auch die Verspätung nicht zu verantworten hat.

Das Amtsgericht Erding hatte sich mit einem Fall zu befassen, bei dem die verspätete Ankunftszeit daher rührte, dass ein betrunkener und pöbelnder Fluggast zurück zum Abflugort gebracht wurde, weil er den Flugablauf und die Flugsicherheit massiv störte. Überraschender Weise hat das Amtsgericht den Anspruch auf Zahlung der Verspätungspauschale mit der Begründung abgelehnt, dass sich das Verhalten des Passagiers der Fluggesellschaft nicht angelastet werden kann, auch wenn bereits beim Boarding erkennbar gewesen sei, dass die Person stark alkoholisiert war.

AG Erding, Urteil vom 6.3.2023, Az: 112 C 2734/22

Erstattung der Gebühren bei Nichtantritt des Fluges

Wenn ein Flug nicht im Rahmen einer Pauschalreise, sondern als Einzelleistung gebucht wurde, handelt es sich bei dem Luftbeförderungsvertrag um einen Werkvertrag. Gem. § 648 BGB kann der Fluggast den Vertrag kündigen. Die Kündigung kann auch konkludent durch Nichtantritt des Fluges erklärt werden. Er kann den gezahlten Preis zurückverlangen, muss ich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrag an Aufwendungen erspart.

Als erspart sind diejenigen Aufwendungen anzusehen, die der Unternehmer ohne die Kündigung gehabt hätte und dei er infolge der Kündigung nicht mehr tätigen muss.

BGH, Urteil vom 1.8.2023, Az: X ZR 118/22

Gutschein vom Reiseveranstalter

Wenn der Reiseveranstalter zur Rückzahlung des Reisepreises verpflichtet ist, weil z.B. der Kunde aufgrund der Corona-Pandemie vom Reisevertrag zurückgetreten ist, erfolgte diese Rückzahlung häufig durch Übersendung eines Reisegutscheins mit dem entsprechenden Gegenwert. Dieses hat der EuGH als nicht zulässig bezeichnet. Die geschuldete „Erstattung“ des Reisepreises an den Kunden sei unter Verbraucherschutzgesichtspunkten als eine Rückzahlung in Geld zu verstehen.

Schlechtes Wetter ist kein Reisemangel

Das Landgericht Frankfurt am Main hatte sich mit einer Klage zu beschäftigen deren Gegenstand die Frage war, ob schlechtes Wetter am Zielort einen Reisemangel darstellt. Das Gericht entschied, dass wegen schlechten Wetters am Zielort der Preis für eine Reise nicht gemindert werden kann. Die Kammer stützt sich insofern nicht auf die Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos, sondern darauf, dass Wetterbedingungen kein Leistungsbestandteil der gebuchten Reise seien. Schlechtes Wetter begründe folglich keine Vertragswidrigkeit bzw. keinen Reisemangel.

Zur Feststellung, ob ein Mangel vorliegt ist ein Vergleich zwischen den in der Pauschalreise zusammengefassten und der tatsächlich erbrachten Leistungen vorzunehmen. Gibt es eine maßgebliche Abweichung, liegt ein Mangel vor.

LG Frankfurt a.M., Urteil vom 15.3.2023, Az: 2-24 O 102/22

Schadensersatz nach Flugannullierung

Nach Art. 5 Abs I a) und Art. 8 Abs I a Fluggastrechte VO besteht ein Anspruch auf Erstattung der Flugscheinkosten, wenn der Flug seitens des Flugunternehmens annulliert, also gestrichen wurde.

Dieser Anspruch besteht sowohl für die Kosten des Hinflugs, als auch im Hinblick auf die Kosten des Rückflugs, wenn Hin- und Rückflug Gegenstand einer einheitlichen Budhung waren und über beide Flüge ein einziger Flugschein ausgestellt worden ist. Dieses gilt unabhängig davon, von welchem Ort aus der Rückflug vorgesehen war.

BGH, Urteil vom 18.1.2023, Az: X ZR 91/22

EasyPASS statt Zeitpuffer?

Verzichtet ein Fluggast auf die Einplanung eines ausreichenden Zeitpuffers von zwei bis drei Stunden vor dem Abflug, weil er das automatisierte Grenzkontrollsystem EasyPASS nutzen möchte, muss er sich rechtzeitig über dessen Funktionsweise informieren. Auf ersichtlich nicht abschließende Hinweise des Flughafenbetreibers auf dessen Internetseite darf er sich nicht verlassen. Tut er das nicht, begibt er sich damit freiwillig in eine Situation, deren Folgen letztlich von ihm herbeigeführt und von ihm zu tragen sind. Wenn er dann den Flug verpasst hat er keine Erstattungsansprüche.

BGH, Urteil vom 8.12.2022 – III ZR 204/21