BGH-Entscheidung zum „außergewöhnlichen Umstand“

Regelmäßig Gegenstand von Gerichtsentscheidungen ist die Frage, wann ein „außergewöhnlicher Umstand“ im Sinne des § 651h BGB vorliegt, der den Reiseveranstalter zum Ersatz des gesamten Reisepreises verpflichtet, wenn der Reisende den Reisevertrag kündigt. Der BGH hat jetzt zu der Frage Stellung genommen, ob eine Erstattungspflicht des Reiseveranstalters auch dann vorliegt, wenn dem Reisenden die „außergewöhnlichen Umstände“ schon zum Zeitpunkt der Buchung bekannt waren.

Der Bundesgerichtshof ist der Ansicht, dass es einem Reisenden, der eine Reise bucht, obwohl Umstände vorliegen oder absehbar sind, die so gravierend sind, dass nicht jeder Reisende die damit verbundenen Risiken auf sich nehmen möchte, in der Regel zumutbar ist, die Reise anzutreten, wenn die im Zeitpunkt der Buchung bestehenden oder absehbaren Risiken zum Zeitpunkt des Reisebeginns fortbestehen. Demnach ist es auch möglich, dass der Reisende von den Umständen Kenntnis hatte, aber gleichwohl einen Erstattungsanspruch hat.

BGH, Urteil vom 19.9.2023, Az. X ZR 103/22

Gutschein vom Reiseveranstalter

Wenn der Reiseveranstalter zur Rückzahlung des Reisepreises verpflichtet ist, weil z.B. der Kunde aufgrund der Corona-Pandemie vom Reisevertrag zurückgetreten ist, erfolgte diese Rückzahlung häufig durch Übersendung eines Reisegutscheins mit dem entsprechenden Gegenwert. Dieses hat der EuGH als nicht zulässig bezeichnet. Die geschuldete „Erstattung“ des Reisepreises an den Kunden sei unter Verbraucherschutzgesichtspunkten als eine Rückzahlung in Geld zu verstehen.

Rücktritt vom Reisevertrag

Der Reisende kann grundsätzlich vor Reisebeginn ohne Angabe von Gründen jederzeit von dem geschlossenen Reisevertrag zurücktreten. Er erhält auch den gezahlten Reisepreis zurück, allerdings nicht in voller Höhe. Das Gesetz sieht in § 651h BGB vor, dass der Reiseveranstalter eine angemessene Entschädigung verlangen kann. Streit gibt es häufig über die Frage, wie hoch diese Entschädigung ausfällt.

Hierzu hat der Bundesgerichtshof in einem jüngst veröffentlichten Urteil entschieden, dass insofern die Darlegungs- und Beweislast dem Reiseveranstalter obliegt. Das bedeutet, dass der Reiseveranstalter genau darüber erklären muss, wie die geforderte Entschädigung zustande kommt. Zusätzlich muss der Reiseveranstalter die höhe der geforderten Entschädigung beweisen. 

BGH, Urteil vom 18.1.2022, Az: X ZR 109/20

Stornierungspauschalen oft unwirksam

Tritt ein Reisende vor der Reise vom Reisevertrag zurück, werden in der Regel laut AGB pauschalisierte Stornierungsgebühren fällig. Das AG Bad Homburg entschied nunmehr, dass derartige Klauseln ungültig sind (nach § 309 Nr. 5 BGB). Denn die mit 50 % pauschalisierten Rücktrittskosten übersteigen den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden. Zwar dürfen Stornokosten grundsätzlich pauschal geregelt werden. Der Reiseveranstalter müsse aber darlegen und nachweisen, dass er die Stornopauschale unter Beachtung der Kriterien des Gesetzes berechnet hat, mithin die Pauschale dem typischen Schadensumfang entspricht. Der Reiseveranstalter ist verpflichtet nachvollziehbare Zahlen zu nennen, die den tatsächlichenen Schaden belegen. Hierfür muss der Veranstalter nachweisen, welche tatsächlichen Aufwendungen er gespart hat und ggf. wlechen Betrag sie die Witerverwendung der Reiseleistung erworben haben.

AG Bad Homburg, Urteil v. 25.01.2019 – 2 C 2142/17 (28)